Als ich das letzte Mal einen Blog-Eintrag verfasst habe, habe ich schon angedeutet, dass sich so Einiges aufgrund von Corona hier verändert hat. Es waren viele Dinge unklar und um ehrlich zu sein, ist die danach folgende Zeit komplett anders verlaufen als ich es erwartet hätte. Mittlerweile befinde ich mich seit etwas mehr als 2 Monaten im Corona-Ausnahmezustand und die Normalität ist immer noch weit entfernt.
Spanien hat es mit dem Coronavirus für eine lange Zeit sehr hart getroffen. Wir haben just in diesem Moment 228.691 bestätigte Fälle und im April gab es mitunter mehr als 9.000 neue Fälle pro Tag. Mit 4855 Fällen pro 1 Million Menschen bleiben wir immer noch Spitzenreiter weltweit. Da sich derartige Entwicklungen schon damals abzeichneten, handelte die Regierung mit drastischen Maßnahmen und riegelte nicht nur das Land ab, sondern stellte auch die Menschen ab dem 14.03. unter Quarantäne. Zu diesem Zeitpunkt war es allerdings schon reichlich spät und da es im Gesundheitssystem Spaniens einige Lücken gibt, konnte der Virus nicht so schnell abgefangen werden.
Für mich persönlich hatte das direkt mehrere Folgen: Die Kinder befanden sich von nun an täglich Zuhause, genau wie die Eltern. Für die Eltern war also „Homeoffice“ und für mich und die Kinder „Homeschooling“ angesagt. Ich konnte selbstverständlich nicht mehr rausgehen, da alle, die ohne triftigen Grund draußen herumspazierten, mit Geldstrafen rechnen konnten. Auch die Sprachschule wurde fortan über Skype durchgeführt und der letzte Wochenendtrip, den ich unternommen habe, war vom 07. März bis zum 09. März, bei dem ich meine Verwandten auf La Palma besuchte. Das ist jetzt mittlerweile auch schon über 2 Monate her. Meine Pläne für die restliche Zeit auf Teneriffa waren erstmal futsch und das brachte eindeutig Frustration mit sich. Jedoch bin ich mir auch mehr als im Klaren darüber, dass es sich mit dem wunderschönen Garten meiner Gastfamilie und dem tollen Wetter hier noch sehr gut aushalten lässt. Auch habe ich mich bewusst dafür entschieden, hier zu bleiben, weshalb ich selber die Verantwortung für meine jetzige Situation trage. Aber ich finde, man kann einfach echt gut sehen, dass Corona meinen gesamten Alltag verändert hat und beeinflusst, wie mein Au-Pair-Jahr verläuft. Es ist nicht schlimm, dass es anders gekommen ist, als erwartet. Es ist halt einfach anders. Das kann sowohl Positiv, als auch negativ sein.
Aber wie hat sich denn mein Alltag verändert?
Zum einen hat die Struktur meines Alltags eine 180-Grad-Wendung gemacht. Das liegt daran, dass ich angefangen habe, morgens mit den Kindern die Schulaufgaben zu erledigen und nachmittags frei habe (also genau umgekehrt im Vergleich zu vorher). Anfangs beschränkte es sich beiden Schularbeiten noch auf Aufgaben, die den Kindern über eine Internetplattform der Deutschen Schule zur Verfügung gestellt worden sind. Mittlerweile hat sich das ganze Homeschooling sehr weit entwickelt und die Kids müssen nicht nur Aufgaben hochladen, sondern haben zusätzlich Projekte und Onlineunterricht über Microsoft Teams. Sich in die Internetplattform und das Prinzip einzufuchsen und zu verstehen, wie die Fristen und das Schicken der Aufgaben genau funktionieren, bot definitiv eine Herausforderung, doch mittlerweile habe ich das ganz gut durchschaut und kann die Kids und die Eltern so gut es geht an dem Punkt unterstützen. Auch wenn ich mich jetzt ein bisschen mehr durch die Schule der Kids stressen lasse, da ich auch mehr Verantwortung trage, macht es mir doch schon ziemlich viel Spaß, den Kids kleine To-Do-Listen vorzubereiten und einen genaueren Einblick in die Arbeitsweise der Lehrer zu gelangen. Auch sind die Resultate der Kinder insgesamt besser geworden, da ich über ihre Lösungen schauen kann bevor diese zu den Lehrern kommen ;).
Ich würde zwar sagen, dass ich insgesamt schon mehr Zeit verbringe mit den Kindern, bzw. auch insgesamt der Familie, doch da sie für eine lange Zeit mein einziger menschlicher Kontakt waren, würde ich das auf keinen Fall als „unbezahlte Arbeitszeit“ oder Ähnliches ansehen, da die Familie mir den Freiraum gibt, den ich brauche und ich mich aktiv dafür entscheide, wenn ich außerhalb der vorgesehenen Arbeitszeit am Vormittag, Zeit mit den Kids verbringe. Es ist sehr interessant, die Familie durch die Quarantäne nochmal besser kennenzulernen und ich finde, dass ich auf diese Art und Weise nochmal ganz anders in die Familie aufgenommen worden bin. Ich bin mir meiner Stellung und Bedeutung der Familie gegenüber nochmal mehr Klaren geworden. Auch muss ich sagen, dass ich der Familie auch wirklich sehr dankbar bin, dass sie mich nach wie vor so lieb behandelt haben, da diese Zeit für sie auch einige Herausforderungen birgt und sie mit mir ja nie so ganz für sich alleine sind. Jedoch weiß ich auch, dass ich ihnen in vielen Aspekten helfen kann, da ich die Hausaufgabenbetreuung und das ganze Management des Schullebens übernommen habe und ich den Eltern insbesondere vormittags, wenn sie arbeiten müssen, schon sehr den Rücken frei halte. So hatte meine Gegenwart hier auf Teneriffa sowohl für sie als auch für mich gute und schlechte Seiten, doch ich finde, die Guten überwiegen im Endeffekt. Zu den Highlights in der Quarantäne zählt zum Beispiel der Zusammenhalt in der Familie oder auch das tägliche Applaudieren um 7 Uhr (das mittlerweile zwar etwas vernachlässigt wird :D). Aufgrund von Erfahrungen wie dieser bin ich sehr froh, mich dazu entschieden zu haben, hier zu bleiben.
Mittlerweile werden auch die Maßnahmen zu der Quarantäne wieder durch die spanische Regierung gelockert, sodass ich ein kleines Stückchen meine persönliche Freiheit wiedererlangen konnte. Somit ist es mir möglich, mich innerhalb vorgegebener Zeiten, draußen zu bewegen und ich kann mich sogar wieder mit meinen Freunden treffen. Es ist also ein Ende der Sicht, wenn die komplette Normalität wahrscheinlich während meines Au-Pair-Jahrs nicht mehr zurückkehren wird. Jedoch habe ich durch diese Extremsituation mehr über mich selber und über die Familie gelernt, als ich es jemals in der normalen Situation geschafft hätte.
Und mit diesem Gedanken, kann ich es auch definitiv noch die letzten zwei Monate hier aushalten.
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