Mit meinem Tagesausflug nach Viña del Mar am Anfang des Semesters reichte es mir nicht: Es musste noch einmal in die Stadt am Meer mit der nie zu endenden scheinenden Küste gehen! Und dieses Mal gab es sogar noch zwei Gründe mehr, dort wieder hinzufahren. Meine Mitbewohnerinnen aus Santiago hatten ihr Praktikum dort im Mai beendet und waren deswegen dorthin, zu ihrem permanenten Wohnsitz, zurückgekehrt. Vor unserem traurigen Abschied hatten sie mir (und meinem Freund Tobi) allerdings eine Einladung ausgesprochen, sodass ich mich schon länger auf den Besuch freute.
Wir kamen am Freitagnachmittag nach einer zweistündigen Busfahrt an. Es war – im Gegensatz zu Santiago – ein sonniges und mildes Klima. Wir kamen bei meiner Mitbewohnerin Sophia unter. Es war eine Freude, sie wiederzusehen und sich über die letzten Wochen austauschen zu können. Weil wir uns den Sonnenuntergang am Meer nicht entgehen lassen wollten, verschlug es Tobi und mich bald an die Küste. Es war ein wirklicher Traum: Die starken Wellen des Atlantiks zusammen mit der langen Küste, an der tausende kleine Lichter der Häuser leuchteten und Palmen hatten das Zeug für eine Postkarte. Chile hat mit seiner 4000 km langen Westküste einfach die besten Sonnenuntergänge. Als Touris mussten wir selbstverständlich das obligatorische „Foto-Ritual“ abhalten, bevor es weiter in ein Restaurant ging. Um hier den frischen Fisch zu probieren, gab es ein „Ceviche“ und einen Salat mit Shrimps. Alles zusammen deliziös!
Als wir am nächsten Morgen zu einer Bäckerei gegenüber der Wohnung meiner Mitbewohnerin gingen, erlebten wir Versuchung und Begeisterung zugleich: Wir fanden dort eine riesige Auswahl an Backwaren; und (leider) zu einem sehr bezahlbaren Preis. Daran zeigte sich mal wieder für mich, wodurch die ungesunde Lebensweise der Chilen*innen zustande kommt. Es gibt ein riesiges Angebot an bezahlbarem Süßzeugs, während frische Lebensmittel häufig teuer sind. Noch dazu gibt es wenig Bewegung, was in der Kombination dazu beiträgt, dass es das Land mit der zweithöchsten Anzahl an übergewichtigen Menschen ist. Es ist allerdings kein Kampf, der einfach so aufgegeben wird: Mittlerweile gibt es durch die Regierung verschiedene Gegenmaßnahmen, darunter Siegel auf den Lebensmitteln, welche auf ungesunde Mengen an Zucker, Kohlenhydrate, Sodium oder Fette hinweisen. Manche Lebensmittel schaffen es sogar, alle vier Siegel aufgedruckt zu bekommen. Wir waren allerdings im Urlaub; und da ist ein süßes Teilchen zum Frühstück doch mal ok, oder? (wobei die „Teilchen“ in Anbetracht der Größe arg untertrieben ist...)
Somit ging es direkt danach zum Kalorienverbrennen nach Placilla in einen Wald. Meine ehemalige Mitbewohnerin Rocio hatte mir die Empfehlung für eine Wanderung zu einem Wasserfall dort gegeben. Es ging dabei einen Abhang hinunter, der so steil war, dass hier Seile befestigt waren, an denen man sich für den Abstieg festhalten musste. Also keine leichte Aufgabe, hier unfallfrei runterzukommen und definitiv ein Kraftakt! Als wir unten angekommen waren, staunten wir nicht schlecht über die Höhe und Kraft des Wasserfalls - er war mindestens 20 Meter hoch und wir befanden uns in unmittelbarer nähe! Hätte man Schwimmsachen gehabt, hätte man sogar hinschwimmen können und sich eine sanfte Massage gönnen können ;). Der Wasserfall hatte mit seiner Power die gesamte Felswand dahinter geformt. Dazu das Rauschen des Wassers bei starkem Wind und Wassertropfen, die einem ins Gesicht flogen. Abenteuerlich!
Anschließend machten wir uns auf den Weg in die Hafenstadt Valparaíso. Diesen Ort nahe Viñas hatte ich mir schon seit längerem anschauen wollen (immerhin hatte sie sich in meinem Reiseführer einen Platz unter den Top 20 Sehenswürdigkeiten ergattern können ;). Im Vorweg wurde mir von Touristen Positives, von Einheimischen eher negatives über die Stadt berichtet. Erstere erzählten begeistert von der Street Art erzählt; letztere von der wachsenden Kriminalität. Zwei Perspektiven auf dieselbe Stadt; ich war gespannt, welches Bild bei mir entstehen würde. Durch die längere Wanderung ließen wir unseren Plan einer Free Walking Tour beiseite. Außerdem hatten sowohl Tobi als auch ich an dem Wochenende vergessen, extra Bargeld mitzunehmen. Somit schlugen wir uns mit 5000 CLP (ca. 6,20€ umgerechnet) durch und es wäre kaum noch Geld für ein angemessenes Trinkgeld übrig geblieben. Alles also Gründe dafür, dass wir uns auf eigene Faust auf den Weg durch die Hafenstadt machten. Das Stadtbild ist durch viele Hügel geprägt (insgesamt sollen es 42 sein). Bei vielen gibt es die Möglichkeit, mit einem historischen Holzaufzug nach oben zu kommen. Uns hatte die Wanderlust allerdings immer noch nicht verlassen und so stiegen wir zu Fuß nach oben. Von oben aus hatten wir eine wunderbare Übersicht über die gesamte Stadt. In einem Punkt muss ich den vielen Touris auf jeden Fall Recht geben: Die Straßenkunst in Valparaíso ist etwas Besonderes. In dem Szeneviertel der Stadt, wo wir uns bewegten, war kaum eine Treppenstufe oder Wand einfarbig. Es steckte so viel Kreativität und Ästhetik hinter den Motiven.
Vielleicht habt ihr es beim Lesen der Einträge oder durch meine Fotos bereits gemerkt: Ich bin ein großer Fan von Golden Hours (also Sonnenauf- sowie untergänge). Das besondere Licht und die intensiven Farben begeistern mich und geben einfach wunderschöne Motive ab. Deswegen suchten wir uns für den Sonnenuntergang in diesem Fall ein Restaurant, was auf einem Hügel lag, und eine Dachterrasse hatte. Von hier aus bestaunten wir die Aussicht auf die Stadt und den Hafen. Mit den Containerbrücken fühlte ich mich etwas an Hamburg erinnert (auch wenn an unseren wunderschönen Hafen so schnell nichts rankommt). Alles in allem hat die Stadt auf jeden Fall einen Platz unter den Top 20 Sehenswürdigkeiten verdient ;).
Am nächsten Tag ging es (nach einem Stopp bei der Bäckerei) in eine Gemeinde. In dem kleinen Viña del Mar war es keinesfalls selbstverständlich, dass es hier eine evangelische Kirche gab. Aber es war ein Glücksgriff, sodass wir hier eine lokale Gemeinde mit viel Liebe zur Bibel und Gastfreundschaft fanden. Nach dem Gottesdienst hatten wir eine Verabredung zum Mittagessen mit meinen beiden Mitbewohnerinnen, zu der auch der Freund von Rocio dazukam. Außerdem brachte sie uns Fahrräder mit, die wir für den Rest des Tages für eine Fahrradtour nutzen. Beide sind unglaublich liebe Menschen, die meine Zeit hier sehr bereichert haben. Wie man sicherlich aus meinem Bericht herausliest, haben sie eine große Hilfsbereitschaft gezeigt: Ließen uns bei sich unterkommen, liehen Fahrräder, gaben Reisetipps und zeigten eine offene Haltung. Ich hoffe sehr, dass ich sie irgendwann in Europa oder in Deutschland wiedersehen werde.
Für Tobi und mich ging es anschließend mit dem Fahrrad 15 km an der traumhaften Küste bei frühlingshaften Temperaturen und einem schönen Sonnenuntergang bis nach Concón, wo unser Ziel eine Empanadería „Las Deliciosas“ war. Besonders hervorzuheben sind die Empanadas mit Meeresfrüchten – die sind nicht zu toppen!
In der Dunkelheit ging es zurück zu Sophias Wohnung, wo uns nur ein paar Minuten blieben, um alles zusammenzupacken und uns auf den Weg zu machen. Sie hatte sogar noch Fotos und einen Brief für mich ausgedruckt. Der Abschied war wirklich nicht einfach; unter anderem auch deswegen, weil es der erste Abschied von meiner Zeit in Chile war. Aber das gehört leider mit dazu, wenn man sich im Ausland aufhält: Alles muss Abschied nehmen. Somit war dieser schöne, letzte Wochenendstrip beendet. Dadurch, dass ich die zwei Wochen danach mit Influenza flach lag, kommt mir die Zeit umso schöner vor ;).
Somit hat es leider auch sehr lange gedauert, bis dieser Eintrag veröffentlicht werden konnte. Ich hoffe, ihr seht mir das nach!
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