Ihr dachtet, mit dem letzten Reisebericht wäre auch dieser Blog abgeschlossen? Tja, zu früh gehofft ;). Denn ich möchte es mir nicht nehmen lassen, noch ein paar abschließende Worte über das Auslandssemester zu verlieren. Und ein kleiner Bericht über Kolumbien kommt auch noch. Danach ist dann aber wirklich Schicht im Schacht, keine Sorge…
Als ich in Santiago vor etwas mehr als 5 Monaten ankam, war alles neu. Ich kannte die Stadt nicht, hatte wenig Wissen über Land und Leute und nur grobe Vorstellungen davon, was mich in den nächsten Monaten erwarten würde. Alles schien überwältigend; man bekam viele Informationen, „musste“ sich ein eigenes neues Leben aufbauen (das einem nur für eine kurze Zeit erhalten bleiben würde) und noch dazu schien das Land viel zu groß, als dass man einen wirklich tiefen Einblick erlangen könnte. Mit meinem heutigen Wissen, wie gut sich alles Stück für Stück fügte, scheint dieser initiale Stress fast etwas übertrieben.
Nach ein paar Wochen hatte sich alles in Bezug auf die Uni geklärt. Nach und nach formten sich Freundeskreise, man bekam einen Eindruck über das, was man außer der Uni noch so machen konnte, und schmiedete erste Reisepläne. Wochenendtrips, auf denen man Orte in der Umgebung kennenlernen konnte, waren der „Leckerbissen“, was man beim Studium in der Heimat normalerweise nicht hätte. Und ehe man sich versah, stand auch schon die erste große Reise an. Und was das für eine Reise war! Die Landschaften, die wir auf unserer Wanderung durch „Las Torres del Paine“ zu sehen bekamen und die Königspinguine auf Feuerland werde ich nie vergessen.
Danach ging es zurück in den Alltag. Dieser Wechsel fühlte sich, um ehrlich zu sein, etwas abrupt an. Von diesem riesigen Highlight in eine dreiwöchige Prüfungsphase, na toll. Leider lief abgesehen von Uni nicht viel. Diese Zeit habe ich als herausfordernd in Erinnerung. Es machten sich Gefühle von Einsamkeit in mir breit und auf einmal war der Anfangszauber weg. Ich vermisste meine engen Freunde von zuhause und meine Familie. Aber auch hier kann ich rückblickend sagen, dass es eine normale und sogar wichtige Phase meines Auslandssemester war. Wenn man den Phasenmodellen von Auslandssemestern glaubt, kommt nach der „Flitterwochenphase“ eine „Ablehnungsphase“. Mir wurde bewusst, dass das Leben im Ausland auch einfach Leben mit allen Hochs und Tiefs bedeutet. Und das kann dann zu Frust führen. In dieser Phase war ich besonders dankbar für die GBU (also meine christliche Campusgruppe), meine Mitbewohnerinnen und Videoanrufe. Durch diese Kontakte fühlte ich mich weniger isoliert und nach wie vor hatte ich viel Freude durch den täglichen Kontakt mit dem Spanischen.
Und 3 Wochen Prüfungsphase kann man doch wirklich durchstehen, oder? So kamen die Herbstferien schneller als ich zu hoffen gewagt hatte. Es lag eine ganze Woche Freiheit vor uns. In meinem Fall bedeutete das sogar 1,5 Wochen Freiheit! Immerhin hatte ich nur von Dienstag bis Donnerstag Uni. Also ging es für 12 Tage auf große Rundreise durch den Süden; sogar einmal kurz nach Argentinien, um das Visum zu erneuern. Auch diese Rundreise genoss ich sehr, weil wir alle Reisen mit dem Bus bestritten und so herrlich wenig vor der Reise selbst feststand. Die ungefähre Route war zwar geplant, aber abgesehen davon galt die Divise: Was interessiert mich heute, was morgen an Reisen ansteht? Ich lebte also den Backpacker-Lifestyle und genoss die Flexibilität in vollen Zügen. Als Reisegefährte schloss sich ein katholischer spanisch-polnischer Freund an. Unterwegs sprachen wir viel über Geschichte und haben nicht nur eine gute Diskussion über den Glauben geführt ;).
Uuuund wieder ging es zurück nach Santiago (ein zweites Mal). Dieses Mal mit der traurigen Aussicht, dass meine Mitbewohnerin mich verlassen würden. Ihr Abschied bescherte mir leider auch wieder etwas Einsamkeit, doch dieses Mal wars viel besser auszuhalten, weil ich in der Uni und Gemeinde gute Freunde gefunden hatte. Auch nahm mein Alltag durch einen Schwimmkurs mehr an Form an. Ich genoss diese sportliche Phase mit Radtouren, viel Schwimmen und Tanzen sehr, empfand den Sport als hilfreichen Ausgleich. Es war also schön, etwas permanenter in Santiago wieder anzukommen, das Erlebte (u.a. schriftlich) aufzuarbeiten und eine Routine zu entwickeln, in der ich mich auch über diese Zeit hinweg wohlgefühlt hätte. Ende Mai hörte ich, mit der Ankunft von deutschem Besuch, dann das Schwimmen auf, konzentrierte mich nur noch auf das Tanzen. Ein Highlight war der Wochenendtrip zu meinen Mitbewohnerinnen, nach Viña del Mar. Ich hatte die beiden Mädels so sehr vermisst und freute mich darüber, sie endlich wiederzusehen. In der Zeit konnten wir uns auf den aktuellen Stand bringen und sie sorgten sich sehr um unser Wohlbefinden; waren wunderbare Gastgeberinnen.
Die Zeit war so schön, dass ich vor lauter Freude glatt krank wurde. Für zwei Wochen raffte mich Influenza dahin und ich konnte nicht viel machen, außer zu schlafen. Ich hatte die Krankheit echt unterschätzt. So hatte ich mir meine letzten paar Wochen in Santiago nicht vorgestellt, aber was soll man machen? Wo es möglich war, versuchte ich ein paar Dinge für die Uni zu erledigen und die Reiseplanung für das Ende des Semesters voranzutreiben. Die meiste Zeit verbrachte ich allerdings mit Schlafen.
Als ich wieder gesund wurde, blieb mir noch etwas über eine Woche, welche mit Uniarbeit, etwas Heimattourismus und Verabschiedungen gefüllt war. Durch die Krankheitsphase war mir etwas von meiner wertvollen Zeit gestohlen worden, daran besteht kein Zweifel. Das machte für mich die Zeit noch intensiver, voller und kurzweiliger. Bei den Abschieden herrschte so viel Wertschätzung, dass ich mit jedem Mal dankbarer war für die Leute, die Gott mir in der Zeit geschenkt hatte. Santiago zu verlassen, war herausfordernd. Dabei half jedoch die Perspektive auf die letzte Reise in den Norden…
Und, Mann, war diese Reise besonders! Zusammen mit „Las Torres del Paine“ war die Atacama-Wüste die beeindruckendste Erfahrung meiner Zeit in Chile. Diese Ziele sollten Naturliebhaber in Chile wirklich nicht außenvor lassen! Besonders die Geysire waren atemberaubend und unterstrichen zum wiederholten Mal die Vielfalt und Schönheit unseres Planeten. Noch dazu erlebte ich unsere Reisegruppe als sehr angenehm. Wir waren alle irgendwo auf unsere eigene Art und Weise speziell, aber schätzten die anderen Personen und jeder konnte er/sie selbst sein. So kamen einige gemeinschaftlich schöne Momente zustande.
Was bleibt also von meinem halben Jahr im Ausland? Zahlreiche Erinnerungen, Sprachkenntnisse, persönliches Wachstum, neue Freundschaften und Wissen über eine neue Kultur sind die größten Punkte auf der Liste. Die Chilen*innen erlebte ich stets als freundlich, familienorientiert und interessiert. Ihre aufgeweckte Latino-Art, die gleichzeitig europäische Ruhe anstrebt, ist nur eine der vielen Aspekte, die ich in Deutschland vermissen werde. In Salsotecas vorbeizuschauen, werde ich mir zuhause nicht nehmen lassen ;). So kann ich auch nach meiner Rückkehr nach Berührungspunkten mit Lateinamerika suchen. Ich kann es kaum erwarten, Chilen*innen über den Weg zu laufen und hoffentlich irgendwann meine Freunde aus Santiago bei mir zu Besuch zu haben.
Abgesehen davon kann ich nicht unerwähnt lassen, wie sehr mein Glaube mich in der Zeit getragen hat. In meinem Bericht könnt ihr verschiedene Phasen in einem Auslandssemester sehen; Höhen und Tiefen, das ist ganz normal. Aber in allen Mood-Swings, allen Herausforderungen und einsamen Momenten wusste ich, dass ich es niemals allein durchstehen muss. Gott war bei mir und hat mich immer wieder mit Leuten umstellt, die mir genau das in Erinnerung riefen. Es war ein Highlight zu sehen, wie Christ*innen in Santiago ihren Glauben leben und dass ich in ihrer Gemeinschaft wie eine Schwester aufgenommen wurde. Und so hat Gott auch diese wichtige Phase in meinem Leben geprägt.
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