Habt ihr jemals einen Kindheitsfreund/-Freundin nach vielen Jahren wieder getroffen und wart damit überfordert, die letzten 20 Jahre in gefühlten zwei Minuten zusammenzufassen? So geht es mir mit der Aufgabe, diesen Blogeintrag über meine Reise der letzten zwei Wochen zu schreiben. Denn obwohl ich die ganze Zeit Eindrücke aufgeschrieben habe, ist es schwierig die Fülle gesammelt aufs Papier zu bringen. Hier kommt erstmal Teil 1 des Reiseberichts...
Vor etwa einem Monat trafen sich drei Neuseeländer, ein spanischer Pole (oder polnischer Spanier, je nachdem) und zwei Deutsche, um Reisepläne zu schmieden. Das Ziel war wahrscheinlich der am meisten von Tourismus geprägte Ort Chiles, der gleichzeitig eine ganze Modemarke inspiriert hat: Patagonien. Ein geschätzter Teil des Reisevorbereitungskomitees war außerdem meine Mitbewohnerin, die dieses schöne Fleckchen Erde ihr Zuhause nennt und voller Begeisterung darüber Tipps teilt. Sowohl sie als auch mein Reiseführer machten mich darauf aufmerksam, dass eines bei unserer Reise nicht fehlen dürfte, nämlich der Nationalpark "Torres del Paine". In unserer Gruppe einigten wir uns, dass wir die Wanderung "Das W" wagen wollten. Diese sollte uns innerhalb von fünf Tagen an den atemberaubendsten Stellen des Nationalparks vorbeiführen (der Bericht darüber kommt demnächst). „Umrahmt“ war diese Wanderung von jeweils zwei bis drei Tagen Aufenthalt in der südlichen Stadt Punta Arenas und einem Tag in Puerto Natales, von wo aus wir Zugang zum Nationalpark hatten.
Mit diesem ausgetüftelten Reiseplan im Gepäck ging es also am 31.03. nach Punta Arenas. Der Flug dort hin war überraschend lang: Obwohl Santiago nicht einmal im Norden des Landes ist, war es ein vierstündiger Flug bis dorthin. Im Vergleich zu den Dimensionen Deutschlands schien mir das unglaublich! Mit dieser weiten Distanz, die uns Richtung Antarktis führte, ging auch ein großer Temperaturunterschied einher. Während wir in Santiago selbst im Spätsommer/Herbst bei flauschigen 30 Grad waren, hatte es in Punta Arenas ca. 20 Grad weniger und es war äußerst windig. Ich fühlte mich direkt in meine Heimat zurückversetzt. Außerdem ungewohnt für uns war die von Smog freie, reine Luft als wir aus dem Flughafen herausgingen.
Ich fühlte mich als wäre ich am Ende der Welt. Zwar handelt es sich um eine normale Stadt mit guter Infrastruktur, Gastronomie und Tourismus. Allerdings war ich in meinem Leben noch nie so weit südlich gewesen und auf einmal waren wir von Orten, wie der Magellanstraße oder Feuerland, die sich zuvor immer unerreichbar angefühlt hatten, nur noch einen Katzensprung entfernt.
Wir waren bereits mittags gelandet und entschieden uns, vom Hunger angetrieben, erst einmal eine Pizzeria aufzusuchen. Ich machte, wie auch meine Mitreisenden, einen Bogen um die Pizza mit Guanako-Fleisch und genoss die gemütliche Atmosphäre des Restaurants. Schon von meiner Mitbewohnerin hatte ich gehört, dass Punta Arenas sehr viel sicherer als Santiago sei und so konnten wir ohne Sorge unser Gepäck in einer Ecke unbeaufsichtigt liegen lassen.
Unser erster Aufenthalt in Punta Arenas hatte zwei Hauptziele: Zum einen musste unsere Wanderung vorbereitet werden und zum anderen hatten wir einen Tagesausflug zu einem Reservat von Königspinguinen gebucht.
Ersteres handelten wir bereits am ersten Tag ab. Für eine Woche Camping mit sechs hungrigen jungen Menschen muss immerhin einiges an Lebensmittel besorgt werden! Dafür gingen wir in die Einkaufszone "Zona Franca". Dort bemerkte ich deutlich, wie sich die geographische Lage des Ortes auf die Lebensmittelversorgung auswirkt. Nur in wenigen Supermärkten wurden frische Lebensmittel angeboten; es handelte sich größtenteils um Konserven. In einem Laden gab es sogar ausschließlich abgepackte Lebensmittel! Noch dazu wurde viel Süßkrams verkauft, der den Einwohnern wahrscheinlich dabei hilft, durch die extremen Winter zu kommen. Viele Lebensmittel waren in amerikanischer „Super Size“ und auch die Struktur dieser Einkaufszone erinnerte mich an meinen Aufenthalt in den Staaten. Es erforderte einiges an Koordination und Organisation, um das Essen der nachfolgenden Woche zu kaufen, weil wir weder zu viel noch zu wenig mitnehmen wollten. Im Nachhinein ist man immer schlauer und so kann ich schon mal vorwegnehmen: Wir haben gehamstert.
Das waren tatsächlich die einzigen (wenig spektakulären) Aktivitäten dieses ersten Tages - Essen gehen und Essen einkaufen. Dafür blickten wir dem nächsten Tag mit umso mehr Antizipation entgegen….
Der Wecker klingelte bereits um 6:30 Uhr, um uns aufzuwecken für die Reise zur Geburtsstadt von Tabaluga und dem Pinguinreservat: Feuerland. Allein der Name dieses Ortes faszinierte mich, seitdem ich ihn das erste Mal in einem Geografie-Spiel gehört hatte (true story). Wir hatten eine Tagestour mit einem lokalen Reiseanbieter gebucht, der von vorne bis hinten alles für uns organisiert hatte: Von Transport über Verpflegung bis hin zu einem bilingualen Guide. Wir wurden also zu einer Fähre gebracht, mit der wir über das unglaublich dunkle Wasser der Magellanstraße übersetzten. Die Tour war mit unserer Reisegruppe aus 12 Personen ausgebucht und witzigerweise befand sich unter den Leuten eine weitere Deutsche. Selbst, wenn du am Ende der Welt bist, wirst du Deutschland nicht los!
Nach dieser schönen Überquerung im Sonnenaufgang waren wir in Feuerland angekommen. Um die Frage schon im Vorweg zu beantworten: Nein, wir haben uns nicht die Füße verbrannt, als wir von der Fähre stiegen ;).
Wenn sich schon Punta Arenas wie das Ende der Welt angefühlt hatte, war dies bei Feuerland noch mehr der Fall. Die Landschaft war durch wenige Pflanzen geprägt, die auf diese extremen Klimabedingungen angepasst waren.
Zu den ersten Tieren, die wir sahen, gehörten die drolligen Guanakos (genau die, deren Fleisch tags vorher im Restaurant angeboten wurde). Zu meiner Überraschung beinhaltete die Tour neben der Besichtigung der Pinguine eine ganze Tour über Feuerland, in der uns auch Einblicke in das Leben der Ureinwohner, bspw. der Selknam erzählt, gewährt wurden. Es war interessant, auf welche vielfältige Weise sie die wenigen Tierarten nutzen konnten. Zu ihrer wichtigsten Lebensgrundlage zählten die Guanakos. Zusätzlich jagten sie Wale, indem sie Lagerfeuer in Lagunen anzündeten. Eine Theorie besagt, dass so der Name „Feuerland“ zustande gekommen sein soll. Als jedoch mit den ersten Siedlern Schafe auf die Insel kamen, drohten diese die Guanakos aus ihrer ökologischen Nische zu verdrängen. Zusammen mit eingeschleppten Krankheiten bedeutete dies eine drastische Reduktion der indigenen Stämme. Wie traurig, dass sich dasselbe Spiel an so vielen unterschiedlichen Orten auf der Welt vollzogen hat.
Nach einigen Gedenkstätten, einem Museum und Besuch bei einem Restaurant, ging es zum Hauptziel unserer Reise: Das Naturreservat der Königspinguine.
Diese majestätischen und sehr süßen Tiere leben nur auf einem schmalen Breitengrad unserer Planeten und können dementsprechend nur an wenigen Orten in freier Wildbahn bewundert werden. Im Naturreservat lernten wir auch, was für Anstrengungen für die Arbeitenden damit einhergehen, den Lebensraum für die Tiere zu erhalten. Aufgrund einiger invasiver Arten waren die Pinguine nämlich für eine lange Art von Feuerland ferngeblieben. Vor 15 Jahren kamen sie jedoch, wie durch ein Wunder, zurück und werden seitdem mehr beschützt. Beispielsweise patrouillieren die Angestellten des Reservats jeden Tag mehrfach. Auch wir wurden dazu angehalten, leise zu sein und die Pinguine auf keine Art und Weise aufzuschrecken, denn jede Art der Störung kann dazu beitragen, dass die Tiere im nächsten Jahr nicht wiederkehren.
Bei der Besichtigung wehte uns ein kalter Wind heftig um die Ohren und verdeutlichte für mich, welche extremen Bedingungen diese majestätischen Vögel für ihren Lebensraum suchen. Das hielt uns jedoch nicht davon ab, unsere Zeit voll und ganz auszukosten. Voller Begeisterung beobachteten wir diese Kolonie von ungefähr 30 Tieren, die aktiv hin- und her watschelten. Wir hielten uns ungefähr 40 Meter von ihnen entfernt, konnten jedoch durch Fernrohre zu ihnen schauen. Der Umstand, dass jährlich ein riesiger Aufwand für die Erhaltung des Reservats betrieben wird, machte es umso bedeutsamer, die Tiere hier sehen zu können.
Im Souvenirshop durfte deshalb anschließend selbstverständlich nicht versäumt werden, sich einige Andenken mitzunehmen. So ging es über einen etwas anderen Weg zurück aufs Festland. Auch bei der zweiten Fährfahrt hatten wir das Glück, eine goldene Stunde des Tages, dieses Mal den Sonnenuntergang mitzunehmen. Sodass wir nach einem langen Ausflugstag wieder zurück nach Punta Arenas kamen.
Wieder angekommen ging es schnell ins Bett, denn am nächsten Tag ging es nach Puerto Natales. Durch die Beliebtheit von „Las Torres del Paine“ ist dieser beschauliche Ort zu einer „Hochburg für Gore-Tex-Fanatiker“ (Zitat aus meinem Reiseführer) aufgeblüht. Hier befindet man sich von Bergen umzingelt in einem ruhigen Umfeld. Hier gibt es nicht sehr viel zu besichtigen, sodass wir damit zufrieden waren, während unserer weiteren Vorbereitungen für die Wanderung die Stadt mitzuerleben. Womit die Stadt allerdings schon aufbieten kann, ist die Gastronomie. Abends dinierten wir als Gruppe zusammen mit weiteren Leuten im "Café Kaiken" typisch chilenisch. Das frische Essen wurde noch ein letztes Mal richtig genossen. Alles war mental auf die Wanderung ausgerichtet und wir waren gespannt auf die Abenteuer, die uns erwarten würden (wie es tatsächlich war, erfahrt ihr im nächsten Eintrag).
Nach unserer Wanderung ging es am Freitagabend zurück nach Puerto Natales, wo die Zivilisation uns alle etwas überforderte („Sind das etwa Autos???“). Auch hier genossen wir das Essen, nämlich mit einem Abendessen im Restaurant und Brunch am Samstagmorgen, bevor es um 12:30 Uhr bereits auf zurück nach Punta Arenas ging.
Die letzten beiden Tage an dem Osterwochenende brachten wir vollkommen entspannt und ohne Druck zu. Wir verarbeiteten unsere Eindrücke und genossen die Cafés, den schön gestalteten Küstenabschnitt und die Lädchen der Stadt. Weil alles mit „Las Torres del Paine“ in dieser Region verlinkt ist, konnten wir auch hier noch Souvenirs von dem Park erwerben. Auch war die Gemeinschaft zentral – es ist unglaublich, wie viel man über Leute in einer so kurzen Zeit erfahren kann! Am Ostersonntag freute ich mich, mit den anderen in einen katholischen Gottesdienst zu gehen (frohe Ostern an der Stelle in die Runde:)). An diesem ruhigen Ort, am Ende der Welt, konnten wir einen schönen Abschluss unserer Reise verbringen. Dankbar waren wir dennoch, als wir am Montag wieder in unseren eigenen Zimmern ganz allein schlafen konnten.
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