Zwei der drei großen Etappen der Rundreise lagen nun leider schon hinter uns. Das raubte mir jedoch nicht die Vorfreude auf das nächste besondere Ziel: Deutschland in Chile! Wie das gehen soll, Deutschland in Chile zu besuchen? Im 19. Jahrhundert wanderten einige deutsche Familien nach Chile aus, um den Süden zu besiedeln und Landwirtschaft zu betreiben. Dabei brachten sie ihre Sprache, Kultur, Küche, Architektur und vieles mehr mit; die Auswirkungen lassen sich bis heute sehen.
Wir kamen Mittwochabend in unserem Hostel „Casa Apel“ in Puerto Varas an, das früher ein deutsches Internat gewesen war. Als der Chilene, der uns eincheckte, bemerkte, dass ich Deutsche bin, fragte er mich, ob ich sein auf Deutsch verfasstes Motivationsschreiben für ein Work and Travel in Deutschland korrigieren könnte. Als Bezahlung gab’s ein (chilenisches) Bier und so blieb ich mit ihm an der Rezeption sitzen. Es ist bei vielen Chilenen beliebt ein sogenanntes „Working Holiday“ in Europa zu machen. Viele, mit denen ich geredet habe, bewerben sich mit dem Wunsch, auch längerfristig dort bleiben zu können. Für diesen Chilenen hatte mit seinem deutsch geprägten Wohnort die Eingewöhnung auf jeden Fall schon begonnen!
Denn wie groß der Einfluss war, merkte ich am folgenden Tag. Allein vom Stadtbild her erinnerte Puerto Varas mich an norddeutsche Städte, wie Lübeck. Das leicht wolkenverhangene Wetter trug zusätzlich dazu bei.
Besonders oder auch anders war allerdings der See, der „Lago Llanquihue“, welcher von Vulkanen umsäumt ist. Zum Glück sind diese Vulkane bei weitem nicht so aktiv wie der Vulkan Villarrica! Wir gingen am Wasser entlang Richtung Stadt. Sympathisch war, dass diese Stadt weiterhin ihren chilenischen Charm behalten hatte und nicht allzu touristisch wirkte.
Im Kontrast dazu befand sich die Stadt Frutillar, die ein bisschen wie ein deutsches Disneyland wirkte. Neben den historischen Gebäuden und gepflegten Straßen befanden sich an jeder zweiten Ecke Cafés, in denen man „Kuchen“ kaufen konnte (ja, sie gebrauchen tatsächlich das deutsche Wort). Wir parkten an der Deutschen Schule Frutillar – mein Kumpel fragte: „Und, schon mal deinen zukünftigen Arbeitsplatz anschauen?“ - und gingen erneut an den „Lago Llanquihue“. Von hier aus hatte man nochmal eine ganz andere Sicht auf die Vulkane und die Wolken hatten sich größtenteils verzogen.
Wir zogen etwas durch die Straßen des kleinen Ortes und schlossen die Besichtigung mit zwei Stück Kuchen im „Café Herz“ zu einem leicht unverschämten Preis von umgerechnet 10€ ab. Auch preistechnisch wie Disneyland. Während ich in dem Café blieb, um an einem Essay für meinen Literaturkurs zu arbeiten machte sich mein Reisegefährte auf den Weg in ein Museum über den deutschen Kolonialismus. Nach zwei produktiven Stunden trafen wir uns am See, von wo aus wir einen schönen Sonnenuntergang zu sehen bekamen. Für einen Tagesausflug und ein wenig Nostalgie hatte sich der Abstecher definitiv gelohnt.
Mit dem Tourismus im Süden Chiles hatten wir damit abgeschlossen. Auf die Empfehlung meiner Mitbewohnerin war die argentinische Stadt Bariloche das letzte Ziel auf der Reise. Ein weiterer Grund für die Ausreise war, dass ich mich seit fast 90 Tagen in Chile aufhielt und somit mein Touristenvisum verlängern musste. Das macht man entweder online (kostet einen 100€) oder indem man aus dem Land ausreist. Und wenn ich die Wahl zwischen einer Reise und einem Onlineformular habe, fällt es mir nicht schwer, eine Entscheidung zu treffen ;).
Somit ging es am Freitag zum Terminal in Puerto Montt für die Rückgabe des Mietwagens. Hier machten wir die unglückliche Entdeckung, dass die Straßen Chiloés ihre Spuren an dem Wagen hinterlassen hatten und ein Schaden zustande gekommen war. Somit wurde die Garantie einbehalten. Dabei hatten wir allerdings wahrscheinlich sogar noch Glück, weil der Vermieter meinte, dass die Reparatur ihn wahrscheinlich sogar das Doppelte kosten würde. Für ihn und für uns also leider ein Minusgeschäft. Ärgerlich, aber kein Grund, um sich die Freude an der Reise nehmen zu lassen!
In Hinblick auf die Reiseziele ist der Süden Chiles ein Dorf, sodass man häufig bekannten Gesichtern über den Weg läuft. Im Bus nach Bariloche trafen wir den Briten wieder an, mit dem wir in Chiloé einen Tagesausflug unternommen hatten. Er prophezeite uns, dass die Fahrt länger als die angekündigten sechs Stunden dauern würde, was an den häufig verschneiten Straßen lag. Denn der Weg über die Grenze führte durch einen Nationalpark und über die Anden. Im Endeffekt verzögerte sich unsere Fahrt tatsächlich. Grund dafür waren allerdings nicht die Wetterverhältnisse, sondern eine Person mit gefälschtem Pass, die sich bei uns im Bus befand. Wegen dieser Person warteten wir ca. 2 Stunden an der Grenze, bis das Problem gelöst war.
An der argentinischen Grenze ging es dafür umso schneller. Es existieren von offizieller Seite aus zwar strenge Bestimmungen, was das Einführen von Lebensmitteln, etc. anbelangt. Doch es interessierte nicht einmal, dass ich einen Jutebeutel voller Snacks und Essen bei mir hatte, denn es wurde zwar unser Gepäck aus dem Frachtraum, aber nicht unser Handgepäck durchleuchtet. Mit der Grenzüberquerung in Lateinamerika ändert sich mehr als im Schengen-Raum: Es gab eine Zeitverschiebung, die Währung änderte und auch unsere SIM-Karten funktionierten nicht mehr. Also erwarteten uns ein paar kleine organisatorische Tücken, die allerdings während des kurzen Aufenthalts auszuhalten waren.
Dadurch, dass wir statt 17 Uhr um 21 Uhr erschöpft vom Reisetag in Bariloche ankamen, wurde die Zeit sogar noch weiter verkürzt. An dem Punkt reichte die Energie gerade noch für den Weg zum AirBnB, das wir uns mit denselben Amerikanerinnen von Chiloé für zwei Nächte teilten. Sie waren bereits am Tag vorher nach Argentinien gereist und waren begeistert von dem Ort und der Umgebung. Bariloche machte auch auf mich einen ordentlichen und sicheren Eindruck. Wir besprachen noch die Pläne für den nächsten Tag, gingen allerdings bald darauf schlafen, um die Energiereserven wieder aufzufüllen.
Neben der Erkundung des Ortes hatten mein Reisegefährte und ich uns vorgenommen, dass wir auch einen Einblick in die Küche Argentiniens bekommen wollten. So suchten wir uns ein Café zum Frühstücken. In Bariloche als „Schokoladenhauptstadt“ Argentiniens gab es selbstverständlich eine heiße Schokolade zum Croissant und der Mini-Quiche. Es war ein ausgiebiges und schmackhaftes Frühstück für umgerechnet ca. 6€ pro Person. Mit dem Währungswechsel bewegten uns einige Fragen: Welche der zwei Währungen (Dollar Blue oder argentinischer Peso) galt eigentlich? Wäre es besser, Geld umzutauschen als mit der Kreditkarte zu zahlen? Und wenn ja, wo konnten wir unsere chilenischen Pesos zu einer guten Rate umtauschen?
Wir entschieden uns dazu, rund 50€ pro Person umzutauschen. Bei den offiziellen Stellen ist dies allerdings sehr teuer. Deswegen haben einige Argentinier es zu ihrem Geschäft gemacht, Geld zu besseren Raten umzutauschen. Die bewegen sich durch die Straßen und quatschen Touristen mit der Frage „Cambio?“ („Geld wechseln?“) an. Zu so einem Mann begaben wir uns, der uns in eine kleinere Nebenstraße zum Wechseln nahm. Illegal wie sonst was… :D
Anschließend tragen wir uns mit den Amerikanerinnen an einer Bushaltestelle, von wo aus wir nach Llao Llao fahren wollten (normalerweise „Jao Jao“ ausgesprochen, in Argentinien jedoch wie „Schao Schao“). Nicht nur die gute Schokolade des Frühstücks erinnerte an die Schweiz: Als wir auf dem Weg an kleinen Hütten und spiegelglatten Seen vorbeifuhren fehlte nur noch eine Heidi, um das Bild zu vervollständigen. Auch gab es in der Nähe einen Ort, der sich „Schweizerische Kolonie“ nannte!
Und was macht man in der Schweiz neben Schokolade essen? Richtig, wandern! Unser Weg führte uns als erstes durch einen Wald; das Wetter war dabei noch etwas bewölkt. Wir hatten jedoch Glück, denn als wir auf dem Gipfel Llao Llao angekommen waren, verzogen sich die Wolken.
Inspiriert von dieser Erfahrung und auf ausdrückliche Empfehlung von meinen Freundinnen, fuhren mein Reisegefährte und ich anschließend zum Cerro Campanario. Hier konnte man mit einem Sessellift auf 1050 Meter Höhe fahren. Das kostete mich durch meine Höhenangst zwar etwas Überwindung, aber die Aussicht war es allemal wert.
Als wir zurück in Bariloche angekommen waren, machten wir uns noch auf den Weg an den See und liefen etwas durch die Stadt. Es durfte auch nicht versäumt werden, noch einige Schokoladensouvenirs zu kaufen.
Es wäre schön gewesen, mehr Zeit in Bariloche zu haben. Dieser Ort bietet viele traumhafte Wanderwege und das auch das Essen hat uns rundum überzeugt. Jetzt weiß ich: Für einen guten Urlaub brauche ich Bewegung und Schokolade ;). Somit ging es etwas wehleidig am Sonntagmorgen über 1350 km zurück nach Santiago. Ein bisschen half beim Abschiedsschmerz, dass wir an der argentinischen Grenze auf Nachfrage einen Stempel im Pass ergattern konnten. Außerdem lief dieses Mal alles ohne Verspätung ab; am Montagmorgen kamen wir um kurz vor 8 Uhr am Terminal in Santiago an. Es war eine besondere Reise für mich gewesen, die so viele Abenteuer beinhaltet hatte. Die Natur und Bewegung, das Meer und Essen sowie viel Spanisch zu sprechen war eine tolle Kombination… Im Winter wird es im Süden zunehmend kälter und regnerischer, sodass meine Reisen dorthin jetzt abgeschlossen sind. Es war sehr schön, diesen besonderen Teil Chiles zu erleben und ich hoffe, dass es eines Tages die Möglichkeit gibt, wiederzukommen.
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