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AutorenbildAnna Krause

Der große Süden 2/3 - Mythen und Wasseraktivitäten auf Chiloé

Es war ein flinker Wechsel zwischen den einzelnen Orten auf diesem Roadtrip, und so ging es am Sonntag weiter mit dem Bus nach Puerto Montt. Hier vervollständigte sich das „Roadtrip-Gefühl“, als wir ein Auto mieteten. Nach unserer späten Ankunft um 22 Uhr war das die einzige Möglichkeit, noch am selben Tag auf die Insel(-Gruppe) Chiloé zu kommen. Außerdem ist es zwar machbar, ohne Auto umherzukommen, jedoch ist das öffentliche Nahverkehrsnetz auf der Insel nicht so gut ausgebaut, wie an anderen Orten in Chile. Und bei einem Preis von 40€ am Tag, also 20€ pro Person, fand ich das einen guten Deal. Für mich war es das erste Mal, dass ich selbst ein Auto mietete (abgesehen von der kurzen, aber geräuschvollen Erfahrung am Vortag). Dementsprechend war ich aufgeregt, ob alles funktionieren würde. Es handelte sich zwar um eine offizielle Firma, jedoch funktionierte die Reservierung nur über WhatsApp. Es schien sie nicht zu interessieren, dass ich noch unter 25 war, und so mussten wir bei der Übergabe im Parkhaus des Busterminals nicht einmal einen Zuschlag zahlen. Ich war etwas überrascht von der lateinamerikanischen Entspanntheit.

(Symbolbild, nicht von der ersten Nachtfahrt)

Weiterhin spannend blieb es, als es dann tatsächlich ans Autofahren ging. Ich bin noch nicht oft im Ausland Auto gefahren. Außerdem war mein Bild des Verkehrs durch Santiago geprägt, wo es normalerweise gehetzt und rücksichtslos zugeht. Was ich jedoch schnell merkte, war dass die Straßen im Süden Chiles generell leerer waren, und noch war es spät am Sonntagabend. Ich war also dankbar für diese erste, entspannte Autofahrt. Um zur Insel zu gelangen, mussten wir eine Fähre nehmen. Wir waren nahezu die einzigen Passagiere, was irgendwie gespenstisch war (kennt noch jemand 'Passagier 23' von Sebastian Fitzeck? Das war meine Assoziation).

Nach der insgesamt zweistündigen Fahrt kamen wir um halb eins an. Der Besitzer des Hostels war netterweise wach geblieben und hatte sogar noch genug Elan, uns eine Reihe von Tipps für die Insel zu geben. Er erzählte uns von den Flamencos, den Nationalparks, Märkten und traumhaften Küstenabschnitten der Insel. Er kannte, ähnlich wie der Chilote, den ich im Hostel kennengelernt hatte, die Insel wie seine Westentasche. Am Ende seiner "kleinen" Einführung lächelte er uns an und sagte: "Und all das werdet ihr euch innerhalb der nächsten drei Tage anschauen!". Was für ein Optimismus bei den 50 gefühlten Must-See‘s!

Das Hostel "Submarino Amarillo - Yellow Submarine" wurde allerdings nicht nur aufgrund des netten Empfangs zu meiner Lieblingsunterkunft auf der Reise. Es war klein, gelb und mit den vielen Beatle-Fanartikeln und Referenzen (bspw. Namen der Sänger an den Schlafzimmertüren) der Traum eines jeden Fans. Ich bin zwar selbst keine Kennerin, aber die Musik schätzte ich und noch dazu war die Atmosphäre ruhig und persönlich.


Die "Iglesia de San Francisco"

Für den ersten Tag war das Hauptevent eine Wal- und Delfinbeobachtungstour vor der Ostküste Chiloés, von dem Ort Queilen aus. Für das Tagesprogramm schlossen sich ein paar Amerikanerinnen, weitere internationale Studierenden unserer Uni, an. In der Ferienwoche befanden sich so gut wie alle Internationalen auf Reise, es bestand stets eine gute Chance, irgendjemanden über den Weg zu laufen, den man kennt. Wir sammelten die Mädels in Castro ein, der Hauptstadt der Insel. Es blieb uns etwas Zeit, die erste der 16 UNESCO-denkmalsgeschützten Kirchen sowie die „Palafitos“, auf Holzpfahle gebaute Häuser, anzuschauen.

Um 12 legte unser Boot pünktlich von Queilen ab. Es gab glücklicherweise einen Innen- und Außenbereich, in dem man sich aufhalten konnte. So konnten wir uns bei dem regnerischen Wetter von Zeit zu Zeit bei den Wärmestrahlern aufwärmen. Die Teilnehmer der Tour an diesem Tag waren wir fünf plus zwei Spanier (absoluter Fangirl-Moment bei dem wunderschönen Akzent!), also eine überschaubare Gruppengröße. Der Guide erzählte uns, welche Wassertierarten um Chiloé leben. Auch versicherte er uns, den chilenischen Delfin, den kleinsten Delfin der Welt, zu sehen. Spätestens ab diesem Punkt war die Vorfreude so groß, dass es uns nicht lange unter Deck hielt!

Der Bereich auf dem Dach des Bootes bot eine optimale Möglichkeit, um die Tiere beobachten zu können. Wir fuhren an der dicht bewachsenen Haupt- und einer Nebeninsel vorbei, die im anfänglichen Regen und Nebel mystisch wirkten. Sie machten einen unbewohnten und unberührten Eindruck; kaum eine Spur von Zivilisation. Es war fast wie eine Zeitreise.

Nach zwanzig Minuten sahen wir sie: Die ersten chilenischen Delfine! Sie tauchten direkt unter dem Boot hindurch und wir waren alle hin und weg von diesen kleinen Tieren! Sie waren sehr flink und nachdem wir ihnen etwas hinterhergefahren waren, verloren wir ihre Spur. Die nächsten ließen etwas auf sich warten. Jedoch sahen wir, als das Wetter sich etwas aufklärte, noch einige weitere von ihnen und eine Familie von Seelöwen! Gerade diese Tiere begeisterten mich sehr, weil ich sie noch nie in freier Wildbahn erlebt hatte.

Neben der zweieinhalbstündigen Beobachtung, welche die 25€ alleine rechtfertigte, war noch ein "kleiner Snack" (Zitat Tour-Website) einbegriffen. Dazu zählte eine Auswahl typischer Saucen von Chiloé, Cracker, chilenischer Wein und – ach, fast vergessen – ein riesiger Teller Austern, die am selben Morgen frisch aus dem Ozean gezogen worden waren! Ich hätte das eher als Gourmet-Erfahrung erster Klasse eingestuft ;). Da waren unsere Vorstellungen definitiv geringer gewesen. Ein tolles erstes Event!

Beseelt von dieser besonderen Erfahrung fuhren wir weiter zum Park Tantauco im Süden der Insel. Dieser ist mit maximal acht Besuchern täglich stark zulassungsbeschränkt, damit die dort bestehende Artenvielfalt geschützt werden kann. Dies gilt jedoch nicht für alle Teile des Parks, sodass wir diese ansteuerten. Leider waren die Straßen schlecht und damit der Wagen nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden würde, fuhren wir nicht ganz bis zum Ziel. Stattdessen unternahmen wir einen kleinen Spaziergang an einen See, wo wir die Abendstimmung genossen. Nach dem kurzen Abstecher fuhren wir die Mädels wieder nach Castro und ich genoss mit meinem Kumpel einen Sub an einem Aussichtspunkt (einen Sub hatte ich seit einigen Wochen gecraved). So hatte ich genug Energie für die letzte Stunde Autofahrt nach Ancud.

Ich glaube, bei so einer Aussicht habe ich noch nie einen Sub gegessen ;)

Wieder zeigte sich das Hostel als Sozialisationspunkt, denn wir lernten einen sympathischen Briten kennen, der sich auf Rundreise durch Lateinamerika befand. Er schloss sich für unseren Trip am nächsten Tag an.

Zwar nicht so früh wie am Vortag (8:30 Uhr), jedoch auch nicht zu spät (nämlich um 10 Uhr), ging es am Dienstag los nach Dalcahue. In diesem Örtchen auf der Ostseite Chiloés befindet sich ein Markt, auf dem handgefertigte Waren aus Wolle verkauft werden. Die Besonderheit daran ist, dass im Gegensatz zu den anderen Märkten der Insel diese Materialien auch tatsächlich von der Insel stammen. Das nächste Ziel war der Nationalpark, jedoch wollten wir auf dem Weg zum „Columpio de Huillinco“; ein süß angelegter Abschnitt am gleichnamigen See mit einer Schaukel im Wasser. Leider spielte uns nicht das Wetter in die Karten, sodass die Schaukel halb unter Wasser stand und das Fotomotiv nicht ganz so malerisch aussah.

Auf den Wegen merkte ich, dass die Insel nicht nur um Queilen herum verlassen gewirkt hatte. Dadurch, dass wir uns in der Nebensaison hier befanden, waren kaum andere Menschen unterwegs und so gut wie alle Restaurants geschlossen. Das einzige offene befand sich direkt am Nationalpark, welches allerdings sehr besucht war. Noch dazu schien es, als würde der gesamte Raum von einer einzigen Kellnerin bedient werden! Die arme war so gestresst, dass sie uns die Karte erst nach 10 Minuten auf Nachfrage gab. Außerdem trugen die Gäste teilweise ihr Geschirr selbst in die Küche. Anstatt also die Zeit mit Warten zu verschwenden, gingen wir lieber in den Nationalpark und verschoben unsere Hauptmahlzeit aufs Abendbrot.

Die Aussicht auf das Meer von dem Nationalpark

Der Nationalpark selbst war sehr ruhig und umfasste mehrere Biotope – Dünen und Wald sind nur zwei davon, die mir aufgefallen sind. Am besten gefielen mir die Holz-Aussichtsposten, die errichtet worden waren, weil man von hier einen Überblick über den gesamten Bereich hatte. Ein weiterer Beweis für die gute Infrastruktur des Parkes waren verschiedene Informationstafeln, die über Tierarten des Parkes aufklärten. Eine berichtete sogar über die Fabelwesen, an die die Chiloten glaubten. Dazu zählg beispielsweise der Invunche, der die Höhlen der Hexen bewacht; der Tempilcahue, der verlorene Seelen im Ozean einsammelt oder Sirenen, die das Meer schützen. Ob die auch im Park leben…?

Ein weiterer sagenumwobener Ort ist der „Muelle de las almas“ – „Steg der Seelen“. Nur eine halbe, aber ruckelige, Stunde vom Nationalpark entfernt war dieser unser nächstes Ziel. Die Autofahrt dahin war durch den Schotterweg eine der anstrengenderen. Wir kamen um 17:30 Uhr mit dem Plan an, den Sonnenuntergang vom Muelle anzusehen. Leider war dieser Ausflug nicht so gut geplant, und vor Ort stellte sich heraus, dass es eine Stunde Fußmarsch bis zum Muelle dauern würde. Deswegen war der Zugang nur bis 17 Uhr möglich; und das, obwohl Google mir versprochen hatte, dass man bis 19 Uhr rein könnte.

Dabei handelte es sich jedoch um einen glücklichen Zufall, weil wir so eine der lustigsten Begegnungen der gesamten Reise hatten. Wir waren gerade auf dem Rückweg an dem Dorf Cucao vorbeigefahren, als wir einen Tremper am Straßenrand sahen. Wir hatten noch Platz im Auto und Lust, Einheimische kennenzulernen. Also fand er einen Platz bei uns. In unserem Gespräch war er sympathisch, allerdings zeigte sich, dass unsere Lebensrealitäten nicht unterschiedlicher sein könnten. Mein Reisegefährte fragte ihn nach den Fabelwesen, an die die Einheimischen auf der Insel glaubten. Er erzählte, dass es ein paar Leute gibt, die daran glauben (Schlussfolgerung: Er selbst nicht). Im selben Atemzug erzählte er uns jedoch die Geschichte, wie er einmal einen Zwerg gesehen hatte. Er beschrieb ihn sehr detailliert; meinte, dass er sich gefühlt hatte, als würde ihn „seine Seele vor Schreck verlassen“, als der Zwerg begann, ihn zu verfolgen. Es war also ein sehr eindrückliches Erlebnis für ihn. Und uns bescherte die Erzählung einen Schmunzler. Ein weiterer Punkt, den man auf Chiloé also nicht verpassen sollte, ist, Tremper aufzusammeln (wenn sie eine normale Körpergröße haben und ihr Anblick nicht dazu führt, dass einen die eigene Seele verlässt ;)).

Definitiv wiederholungsbedarf ;)

Mittlerweile mit einem gesunden Hunger ging es zu "La Cevichería", wo ich ein weiteres typisches lateinamerikanisches Gericht probieren konnte – ein Ceviche. Es besteht aus verschiedenen Sorten rohen Fisches, das in einer säuerlichen Sauce, der „Leche de Tigre“ (Tigermilch), mariniert wird. Es kann mit weiteren Zutaten, wie Avokado, Süßkartoffeln oder Garnelen variiert werden. Wie wir spätestens am Vortag gemerkt hatten, sind die Meereszutaten hier auf der Insel besonders frisch. Deshalb lohnt es sich hier besonders, typische Fischgerichte zu probieren.

Der letzte Tag auf dieser besonderen Insel war viel zu schnell gekommen. Um jedoch das meiste aus der Zeit zu machen und eine weitere besondere Aktion mitzunehmen, ging es am Mittwoch schon früh aus den Federn (6:15 Uhr). Der Besitzer des Hostels hatte uns am ersten Abend mit leuchtenden Augen vom Kayakfahren zum Sonnenaufgang auf dem Chepu-Fluss erzählt, wodurch es direkt weit nach oben auf unsere Prioritätenliste gekommen war. Im Vorweg war die Kommunikation mit dem freundlichen, älteren Kayakvermieter übers Telefon gelaufen. Dabei hatte er mir eine Wegbeschreibung gegeben, die mir nur zu 60% klar machte, wo genau wir hinkommen sollten. Deswegen fuhren wir um 6:45 Uhr eher auf gut Glück los. Am Fluss gab es dann noch einige Verwirrung und weil das Telefonsignal schlecht war, waren auch unsere Möglichkeiten, mit ihm zu kommunizieren, eingeschränkt. Schlussendlich schafften wir es dann allerdings und befanden uns bald danach auf dem Wasser, wo nichts mehr von dem anfänglichen Stress zu spüren war.

Ungewohnt war, dass wir Neoprenanzüge tragen mussten

Diese Kayakfahrt wurde zu einem weiteren Highlight der Reise. Wir paddelten auf diesem Fluss, wo sich die Bäume klar im stetigen Wasser spiegelten, und abgesehen von dem Vogelgezwitscher sowie dem Wasserplätschern der Paddel war es still. Auf dem Hinweg waren wir mit dem Strom unterwegs, sodass der Rückweg länger dauerte und mehr Kraft kostete. Und im Endeffekt zahlten wir für zweieinhalb Stunden gerade einmal 15€ pro Person!

Angezogen vom Wasser ging es zum Ozean zu den Stränden an der Nordwestküste der Insel. Auch diesen Tipp hatte ich von besagtem Chiloten aus dem Hostel in Villarrica. Insbesondere der „Playa Rosaura“ war etwas Besonderes, weil es viele verschiedenen Vogelarten zu beobachten gab und durch die Felsen im Wasser ein beeindruckendes Bild zustande kam. Wir sahen Pelikane, Kormorane, viele Möwen, .... Leider sahen wir auch einen toten Seelöwen an dem Strand, den Vögel nun zu ihrem Mittagessen machten. Allerdings ein Zeichen dafür, wie naturbelassen dieser Teil der Insel ist. Das beste war, dass man auf einige der Felsen klettern konnte, wodurch man sich eine Aussicht über den gesamten Strand verschaffen konnte. Der zweite Strand auf der Liste, „Playa Guabun“ war mit seinen Dünen und der Weitläufigkeit ganz anders als der erste. Auch er schafft es auf die „Liste der schönen Strände“ Chiloés ;).

Playa Rosaura
Playa Guabun

Ein kulinarisches Erlebnis fehlte uns noch, das auf der Reise mitgenommen werden sollte; nämlich der berüchtigte „Curanto“. Man staunt schon gut, wenn man das erste Mal sieht, woraus dieses traditionelle Gericht besteht: Es wird ein riesengroßer Teller mit verschiedenen Fleischsorten, Meeresfrüchten, Kartoffeln und einer Maismasse serviert. Deswegen blieb mir als Pescetarierin das Privileg verwehrt, dieses Gericht zu probieren. Aber mein Kumpel war begeistert und schaffte tatsächlich seinen gesamten Teller!

Es blieb uns noch eine kurze Restzeit in Ancud, die wir nutzten um eine weitere Kirche anzuschauen und ein paar Souvenirs zu kaufen. Als wir uns wieder auf den Weg machen wollten, fragten wir uns, wie wir für unseren kostenpflichtigen Parkplatz bezahlen sollten. Denn es gab ein Schild, das darauf hinwies, dass gezahlt werden musste, aber weder einen Automaten noch eine andere Möglichkeit zu bezahlen. Deswegen fragte ich in einem Laden nach, wie das Prinzip funktionierte und bekam die Antwort, dass wir einfach losfahren sollten. Es würde schon jemand auf uns zukommen. Mir schien das ganze Verfahren etwas fragwürdig: Wie könnte uns denn die Person erkennen, wenn wir erstmal auf der Straße mit vielen anderen Autos wären? Somit stieg ich mehr hoffend als vertrauend ein und fuhr los. Tatsächlich kam nach zehn Meter wirklich ein Mann zu uns, bei dem wir bezahlen konnten. Diese Angestellten sind anscheinend dafür zuständig und bewegen sich die als quasi mobile Kassenautomaten die ganze Zeit in den Straßen umher, um die Bezahlungen abzuholen.

Schuldenfrei, aber etwas traurig, dass die Zeit auf Chiloé nun zu Ende war, ging es zurück aufs Festland. Bei der Überfahrt mit der Fähre begleitete uns noch ein schöner Sonnenuntergang. Chiloé war mit ihrer Ruhe, Mystik und vor allem einmaligen Natur mein Lieblingsort auf der Rundreise und ich hoffe, irgendwann zurückzukommen, um auch die Zwerge sehen zu können.




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