Ich habe euch vorgewarnt, dass noch ein Eintrag aus Patagonien fehlt ;) Immerhin konnte ich über den Hauptanlass unserer Reise noch gar nicht berichten (obwohl die Pinguine natürlich auch ein echtes Highlight waren). Macht euch bereit für einen (vielleicht etwas zu lang geratenen) Bericht über die Wanderung in "Las Torres del Paine"!
[Anna, Montag 03.04. um 21:38]
· Schritte: 22.827
· Distanz: 16,30 km
· Puerto Natales –> Paine Grande
· Paine Grande –> Refugio Grey
Heute Morgen war es so weit: Um 6:45 Uhr ging es weg aus Puerto Natales und zu „Las Torres del Paine“.
Es war viel Organisation und Vorbereitung in dieses Unterfangen gegangen, von daher blickten wir alle dieser fünftägigen Wanderung mit viel Antizipation entgegen. Aufgrund der kurzen Nacht hatte ich eigentlich den Plan gehabt, im Bus etwas Schlaf nachzuholen. Im Endeffekt wurde daraus allerdings nichts, weil es viel zu schade gewesen wäre, den wunderschönen Sonnenaufgang zu verpassen. Am Parkeingang mussten wir uns einer kleinen „Kontrolle“ unterziehen und unsere Eintrittstickets vorzeigen, denn dieser Nationalpark ist zugangsbeschränkt. Es war mittlerweile bereits hell und von dem Parkeingang wurde uns eine erste Aussicht auf die Berge gegönnt.
Nächster Halt: Pudeto. Von hier aus fuhr ein Katamaran über den See Pehoé nach Paine Grande, wo unsere Wanderung anfing. Obwohl ich die dreißigminütige Überfahrt mit knapp 40€ schon überteuert fand, war es ein absolut einmaliges Panorama, das sich dabei erbot. Das Wasser war kristallblau und diese riesigen Berge vom See aus zu sehen, war einfach ein absolutes Highlight.
Außerdem zeigte sich bereits hier, wie offen und freundlich die weiteren Wanderer*innen waren, denn bereits während dieser kurzen Zeit lernte ich einen Amerikaner kennen, der mir von seiner Rundreise durch Lateinamerika erzählte.
In Paine Grande angekommen, nahmen wir uns einen kurzen Moment Zeit, um die letzten Dinge für die Wanderung zu richten und uns eine grobe Orientierung zu verschaffen. Bereits hier zeigte sich, dass die Gepäckfrage leider etwas problematisch war; so hatten wir vorgehabt ein paar Elemente (bspw. den Campingkocher oder auch Schlafsäcke) außen an den Rucksäcken zu befestigen. Das erwies sich leider trotz Karabinerhaken und Spannseilen schwierig und trotz aller koordinatorischer Bemühungen blieben uns zwei Taschen, die wir in die Hand nehmen mussten. Auch zeigte sich bereits am Anfang, wie unterschiedlich das Tempo der einzelnen Leute in unserer Gruppe war. Weil die flinken und wandererfahrenen Neuseeländer unserer Gruppe viel schneller waren, blieben wir anderen drei hinten. So konnten wir in unserem Tempo zum Refugio Grey hochwandern.
Wandern hat für mich viele Überschneidungen mit dem Joggen. Zum einen wird für beides Ausdauer und Durchhaltevermögen benötigt, zum anderen habe ich darin die Möglichkeit gefunden, wirklich gedanklich abzuschalten. Ich genoss es, die sich stetig wandelnde Umgebung entschleunigt, fern von jeder Zivilisation, wahrzunehmen. Wir zogen vorbei an und auf Gestein, teilweise verbrannten Wäldern (es gab 20x einen Brand, der immer noch schwerwiegende Folgen zeigt), Seen und Eisschollen vorbei. Wenn ich mich umdrehte, merkte ich, wie sich der der See immer mehr entfernte, über den wir angereist waren. Und dann sahen wir ihn: Den Gletscher! Er heißt „Grey“ (wegen seiner Farbe?) und war der erste, den ich in meinem Leben sah! Es war unglaublich, wie er sich einfach ins Meer zu pirschen schien. Auch war der Einfluss auf das Wetter sehr interessant: Auf dieser Seite war es, unter Einfluss vom „Grey“, deutlich kälter, wolkenverhangener und regnerisch.
Die letzten eins, zwei Stunden wurden jedoch eine wirkliche Herausforderung. Es erfüllte sich, was der wolkenverhangene Himmel versprochen hatte, und fing an zu regnen. Insbesondere schwierig war der Abstieg an einer steilen Stelle, wo durch den Regen das Wasser stark an den Steinen herunterfloss. Es kamen so "Mini-Wasserfälle" zustande. Der Abstieg mit dem Beutel in der Hand war kein leichtes Spiel! Bei dem Wetter war ich mehr als dankbar für meinen Poncho sowie meine Wanderschuhe, die ein sehr gutes Profil und Gore-Tex haben.
So kamen wir zwar nass, aber stolz, den Weg bewältigt zu haben, beim Refugio an. Für die ersten beiden Nächte hatten wir den Luxus in Refugios (Berghütten) zu bleiben. Das war nicht nur die günstigste, sondern auch die einzige Option zu dem Zeitpunkt. Die Unterkunft war sehr gemütlich; es gab einen Kamin, warme Duschen und sogar ein Restaurant, in dem man sich auch aufhalten konnte. Wir hatten jedoch nicht vor, das überteuerte Essen in Anspruch zu nehmen. Wir begaben uns in eine Küche, wo wir Seite an Seite mit den Campern unser Essen zubereiteten. Unsere Ahnungslosigkeit wurde uns dabei leider fast zum Verhängnis: Uns hatte niemand erklärt, wie das Kochen mit der Gasflasche genau funktionieren sollte und beim erstmaligen Anzünden stand der obere Teil der Flasche in Flammen. Das brachte uns auf jeden Fall die Aufmerksamkeit des ganzen Raums… Mit der Hilfe von unseren Tischnachbarn schafften wir es dann doch, alles zuzubereiten, ohne die Hütte abzufackeln. Wir ließen den Abend im warmen Restaurant ausklingen und knüpften ein paar Kontakte. Darunter war ein allein reisender Israeli in unserem Alter, der genau die gleiche Route wie wir geplant hatte. So wurde er zum „7. Musketier“ für unsere Gruppe. Abschließend besprachen wir noch den Plan für den nächsten Tag und legten uns frühzeitig schlafen.
[Anna 04.04. 22:14]
· Schritte: 36.461
· Distanz: 26,03 km
· Refugio Grey <–> Mirador(-es) Glacier Grey
· Refugio Grey –> Paine Grande
Heute begann unser Tag um 7:00 Uhr mit großen Vorhaben. Wir wollten uns noch weiter an den Gletscher anzunähern. Nach dem Frühstück (gute Haferflocken) ging es dann auch bald los. Glücklicherweise hatten wir die Option unser Gepäck im Refugio zu lagern und konnten den ersten Teil der Wanderungen so ganz entspannt zurücklegen. Eine erste Route führte uns an der Westseite eines Berges zu einem Aussichtspunkt, von dem aus wir sowohl den Gletscher als auch riesige Eisschollen beobachten konnten. Mit dem eisigen Wind, der vom Gletscher kam, und den Eisschollen im Wasser fühlte sich wie in der Arktis! Besonders verwunderte mich, wie blau die Farbe der Schollen war. Diese ist durch Mineralien im Wasser begründet. Hier hielten wir uns jedoch nicht zu lange auf, weil es wenig windgeschützt und die Route kurz war.
Die zweite Route ging an der Ostseite des Berges Richtung Gletscher und hatte ein abenteuerliches Element: Über zwei Hängebrücken gelangten wir immer höher auf den Berg. Die zweite Brücke war sehr hoch und kostete mich einiges an Überwindung (habe mal wieder gemerkt, wie stark meine Höhenangst wirklich ist).
Als wir am Aussichtspunkt angekommen waren, setzten wir uns auf einen Felsvorsprung, der uns eine wunderschöne Aussicht ermöglichte. Nicht nur war der Gletscher in seiner ganzen Pracht zu bewundern, sondern auch der „Lago Grey“, also der See, der direkt an ihn anschließt. Der Wind war auf dieser (natürlich ungesicherten, es ist immerhin Chile) Aussichtsplattform unglaublich stark. Deshalb verbrachten wir nicht viel Zeit auf dem Felsvorsprung, sondern suchten lieber etwas Schutz hinter ihm, um stabil zu bleiben.
Diese beiden Routen waren allerdings erst Teil 1/2 des Tages; quasi die Kür vor der Pflicht. Die „Pflicht“ bestand darin, wieder zurück vom Gletscher nach Paine Grande zu gelangen. Es war dieselbe Route vom Vortag mit den veränderten Rahmenbedingungen, dass wir später losgingen (14 Uhr statt 11:30 Uhr), bereits eine nicht unbeachtliche Distanz zurückgelegt hatten und dieses Mal alles von der anderen Perspektive aus sahen. Ihr merkt also: Langweilig wurde uns auch auf dieser Route nicht!
Nach einer ausführlichen Mittagspause fühlten wir uns jedoch alle gestärkt und bereit dazu, weiterzuziehen. Ich hatte jedoch etwas innerlichen Druck, die Strecke hinter uns zu bringen, denn es sollte nur bis um 20 Uhr hell sein und am Vortag hatten wir ca. 5 Stunden für die Strecke gebraucht. Wenn wir langsamer laufen würden, würden wir in der Dunkelheit ankommen. Das wollte ich sehr gerne vermeiden! Somit zogen wir den Weg in einem etwas strammeren Tempo durch und hielten uns weniger mit dem Fotoknipsen auf. Obwohl wir am Tag zuvor dieselbe Route zurückgelegt hatten, fand ich es erstaunlich, wie viele neue Dinge einem aus der entgegengesetzten Richtung auffallen.
Bei unserer Ankunft waren wir alle sehr müde von dem langen Tag und umso dankbarer für eine weitere Nacht, die uns im Refugio vergönnt war.
Die Sicht aus unserem Zimmer war auch absolut einmalig; ich kann mir nur schwer vorstellen, jemals wieder eine so schöne Aussicht aus einer Unterkunft gehabt zu haben.
Bei dem „Speedy Gonzales“ Teil der Gruppe (aka die Neuseeländer + Israeli) hatte es leider einen kleinen Unfall gegeben: Unser „7. Musketier“ war bei dem Versuch mit ihnen mitzuhalten, umgeknickt und hatte sich den Knöchel verletzt. Glücklicherweise konnte er weiterhin laufen. Mir machte es nochmal bewusst, wie wichtig es war, vorsichtig bei unserem gesamten Unterfangen zu sein. Ich nehme mir deswegen für die nächsten Tage vor, entspannter unterwegs zu sein und das Genießen der Strecke wichtiger als das Ankommen zu nehmen.
[Anna 05.04. 23:07]
· Schritte: 46.993
· Distanz: 33,55 km
· Paine Grande –> Camping Francés
· Camping Francés <-> Mirador Británico
Wie geplant, gönnten wir uns heute etwas mehr Schlaf und standen erst um 7:30 Uhr auf; es war wie Urlaub :D. Angedachte Zeit zum Losgehen: 9:00 Uhr; tatsächliche Zeit: 9:45 Uhr. So ist es halt, wenn man in größeren Gruppen unterwegs ist, es gibt immer jemanden, der nochmal auf Toilette gehen muss…
Unser Tagesziel war das Valle Francés, wo wir für die Nacht „Premium Camping“ gebucht hatten. Das bedeutete, dass wir in komfortablen erhöhten Zelten übernachten konnten, wo alles an Ausstattung (Schlafsack, Isomatte, Zelt) enthalten war. An diesem Ort bestand eine große Nachfrage, sodass dies die einzige Campingoptionen für uns war. Tatsächlich waren sie schon so weit ausgebucht, dass wir in der Vorbereitung unsere gesamte Route ändern mussten, um hier überhaupt einen Platz zu bekommen! Ursprünglich wollten wir nämlich alles andersherum machen (sprich Katamaran am Ende der Reise). Das Camping Francés wollte es jedoch anders. Auch auf der Route lag der „Mirador Británico“, der weitere Panorama versprach und deshalb ein (zeitintensiver) Abstecher sein sollte.
Wir starteten also um 9:45 Uhr von Paine Grande. Wir hatten die Gruppe erneut in zwei Teile aufgeteilt und während vier aus der Gruppe noch ein paar letzte Dinge richteten, ging ich bereits mit unserem 7. Musketier voraus. Der Plan war, schon mal etwas Vorsprung aufzubauen, weil er mit seiner Verletzung etwas langsamer war. Später würden sie uns sicherlich überholen. Dass sie uns nicht notgedrungen über den Weg laufen würden, stellte sich schnell heraus: Wir kamen an eine Abzweigung, wo beide Schilder zum Camping Francés deuteten. Grundsätzlich ist das selbstverständlich ein gutes Zeichen; allerdings konnten wir nicht wissen, welchen Abschnitt der Rest der Gruppe nehmen würde. Somit entschieden wir uns auf gut Glück für eine.
Der Weg war ein wahres Träumchen, die Sonne warf ein wunderschönes Licht auf die Berge, die uns umrahmten. Auch gab es viele Seen in der Gegend, durch die ein ziemlich starker Wind aufkam. Teilweise mussten wir sogar anhalten, um nicht den Abhang heruntergeweht zu werden. Und ich dachte, ich sei als Schleswig-Holsteinerin an Wind gewöhnt!
Eine Situation war dabei etwas brenzlig: Wir waren gerade an einer windstilleren Ecke als, wie aus dem Nichts, eine starke Böe mir meinen Schal ins Gesicht wehte. Ich konnte allerdings weder anhalten noch den Schal aus meinem Gesicht herunterziehen, weil ich einen Schlafsack in der Hand hielt und aufgrund des Windes nahezu das Gleichgewicht verlor. Somit taumelte ich ohne Sicht ein paar Schritte weiter geradeaus, hoffend, dass ich nicht über einen Stein stolpern würde. Nach ein paar Sekunden gab der Wind jedoch auf und ließ mich anhalten und meinen Schal herunterzuziehen. Auch rückblickend kommt mir diese Situation gefährlich vor. Mit mehr Respekt vor dem Wind ging es deshalb weiter.
Was mir besonders gut an dieser Route gefiel, war ein Steg, der über einen Teil des Geländes gebaut worden war und auf dem man entspannt den Weg fortsetzen konnte. Auch gab es weitere Hängebrücken, über die wir zu einem Zwischenstopp, dem Camping Italiano, gelangten. Auf einem Schild Richtung Mirador Británico wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Route nur bis um 14 Uhr gestartet werden durfte (wegen der Dunkelheit). Wir waren jedoch immer noch zwei Kilometer vom Camping Francés entfernt, wo wir den Rest der Gruppe treffen wollten und es war bereits 12:50 Uhr!
Wir entschieden uns kurzerhand dazu, dass der Israeli samt Gepäck im Camping Italiano warten würde, während ich die anderen abholen würde. Ich bestritt den restlichen Weg joggend, um so wenig Zeit wie möglich zu vertrödeln. Glücklicherweise war die Distanz nicht weit und der Weg größtenteils eben, sodass ich nach knapp 20 Minuten um 13:10 Uhr bei ihnen ankam. Wir zögerten nicht lange, sondern gingen zurück zum Camping Italiano und fingen den Aufstieg zum Mirador Británico um 13:45 Uhr an (gerade noch so den Absprung geschafft ;).
Auf dem Weg legten wir einen Höhenunterschied von 700 m zurück und bekamen dabei erneut eine wunderschöne, sich wandelnde Landschaft präsentiert. Sie war sehr herbstlich und führte an einem Fluss vorbei. Es war angenehm warm, jedoch merkte ich nach meiner (Jogging-) Tour des Morgens eine größere Erschöpfung als an den letzten Tagen. Die Gespräche mit den anderen und kleinen Pausen lenkten mich davon allerdings ab.
Auf der Zielgraden, bzw. den letzten Metern zum Británico wurde unsere Wanderung gefühlt zu einer Klettereinheit, die es in sich hatte. Es lohnte sich jedoch zu 100% Prozent! Von diesem Punkt aus waren wir umrundet von Bergen und sahen die „Base de las Torres“, ein Motiv, das sich auf so gut wie jeder Postkarte befindet und repräsentativ für den Nationalpark ist. In weiter Entfernung sahen wir den See „Nordenskjöld“, den wir auf der Hinfahrt überquert hatten.
Der Aussichtspunkt befand sich auf einem sehr großen (und natürlich nicht abgesicherten) Felsen. Ich muss immer wieder darüber schmunzeln, dass es sowas niemals in Deutschland geben würde.
Viel Zeit war uns für den Genuss des Panoramas allerdings nicht gegönnt. Nach ca. fünfzehn Minuten kamen Parkwächter, die uns mitteilten, dass wir nur noch zehn weitere Minuten auf dem Aussichtspunkt bleiben dürften (erneut: Dunkelheitsbedingt). Ich würde sagen, dass wir mit der Anfangszeit die letzte Chance genutzt haben! Auch faszinierte mich, dass die Parkwächter als Teil ihrer Aufgabe haben, Touris an diesen extremen Orten darüber zu informieren, wann sie zurückkehren sollten. Dafür muss man in einer sehr guten physischen Verfassung sein! Außerdem leben sie während der gesamten Saison in dem Park. Mit dem Beruf geht wirklich ein Lebensstil einher...
Es ging also wieder zurück; diesmal bergab. Wo es möglich war, nutzten wir die beliebte Strategie des „Bergabrennens“. Man nutzt einfach das Momentum und lässt sich durch den Abhang antreiben (soweit es sicher und möglich ist), sodass die Knie entlastet werden.
Am Camping Italiano sammelten wir unsere Rucksäcke auf – wie gut, dass wir die nicht den ganzen Weg über mit dabei haben mussten! Im Camping Francés konnten wir unsere „Premium Zelte“ beziehen. Beim Kochen gab es die besondere Herausforderung, dass es dunkel war und keine Küchen mit elektrischem Licht existierten. So mussten wir mit unseren Taschenlampen leuchten. Es war in dem Fall praktisch, dass wir viele helfende Hände hatten.
Richtig abenteuerlich war auch an dieser Campingerfahrung, dass es wir über einen Bach mussten, um ins Badezimmer zu kommen. Für mich als Großstadtkind mit minimaler Campingerfahrung etwas ganz Neues. Spätestens hier fühlten wir uns weit aus der Zivilisation entfernt (und das obwohl Las Torres sehr gut angebunden und ausgestattet sind; es war bei weitem kein Survival-Camp!). Mir verschaffte dieses „Mitten-in-der-Natur-sein“ viel Ruhe. Vielleicht war es aber auch der weite Weg, den wir zurückgelegt hatten.
[Anna 06.04. 19:47)
· Schritte: 32.673
· Distanz: 23,33 km
· Camping Francés –> Camping Central
Seid ihr jemals aufgewacht und habt das Gefühl gehabt, nicht richtig geschlafen zu haben? Das war heute auf jeden Fall so, denn bei den gefühlten minus 10 Grad konnte ich fast nicht schlafen! Umso wichtiger, sich am Morgen mit unseren Haferflocken zu kräftigen.
Um ca. 10:30 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Camping Central, unserer letzten Unterkunft (ach, schon fast vorbei :( ). Für diesen Tag war Regen angesetzt und ich hatte erneut die Sorge, im Dunkeln anzukommen. Deswegen lieber schnell los!
Der Weg führte uns fast die ganze Zeit an dem See Nordenskjöld vorbei, wobei wir immer wieder kleine Pausen für Fotos und zur Regeneration einlegten.
Leider gingen meiner deutschen Freundin die Wanderschuhe kaputt, sodass sie diese mit Tape fixen musste. Auf der letzten Etappe, wo wir uns bereits weiter vom See entfernt befanden, erinnerte mich die Umgebung sehr an Schottland. In weiter Ferne konnten wir von einem erhöhten Punkt aus bereits unseren Campingplatz erkennen. Das hatte einen sehr motivierenden Effekt, ich dachte: „Jetzt handelt es sich bestimmt nur noch um eine Distanz von einer halben Stunde!“. Aber der Schein trügt. Obwohl es einem nah vorkam, brauchten wir überraschenderweise anderthalb Stunden!
Dennoch erreichten wir das Ziel entspannt noch knapp zwei Stunden vor Einbruch der Dunkelheit. Für die Zukunft merke ich mir deshalb (nochmal), dass ich mich nicht auf Wanderungen stressen möchte, sondern lieber die Natur aufnehmen und mehr Zeit für Pausen einlegen möchte (was für eine gute Metapher für das Leben ;)). Ich war unglaublich erleichtert, es bis zu diesem Punkt geschafft zu haben. Nicht nur handelte es sich um den letzten Übernachtungspunkt, sondern auch um den letzten Weg, den wir mit unseren Rucksäcken zurückgelegt hatten. Am nächsten Tag konnten wir diese nämlich einfach entspannt im Camping zurücklassen. In der Nähe des Campings gab es wieder ein Refugio, in dessen Wärme wir den letzten Abend in „Las Torres“ feierten. Dabei merkte ich jedoch, wie müde ich war und hoffe deshalb, besseren Schlaf in diesem Camping zu finden…
[Anna 08.04. 20:07]
· Schritte: 24.992
· Distanz: 17,84 km
· Camping Central <-> Camping Chileno
· Camping Central –> Puerto Natales
…Mit Recht! In dieser Nacht war mir nicht nur aufgrund der Erschöpfung mehr Schlaf vergönnt gewesen. Meine neuen „Anti-Kälte-Strategien“ (alle Kleidung anziehen, die ich hatte, Schal über Nasenspitze ziehen, zwei Schlafsäcke) verhalten mir, die gesamte Nacht durchzuschlafen. Das war auch wichtig, denn heute wurde noch die Restenergie gebraucht, um die letzte Wanderung zu bestreiten: Hoch zur „Base de las Torres“. Diese sollte ungefähr 8 Stunden für den gesamten Weg (also hin und zurück) dauern und um unseren Bus um 19:45 Uhr entspannt zu erreichen, machten wir uns schon um 8:30 Uhr auf den Weg.
Ich war jedoch optimistisch, dass wir nicht in Zeitverzug geraten würden, weil wir ohne unser Gepäck wanderten. Leider machte uns an diesem letzten Tag absolutes Schietwetter den Weg beschwerlich. Wir hatten kaum eine Aussicht und konnten uns nie länger für Pausen aufhalten. Noch dazu hatte ein Junge aus unserer Reisegruppe keine wasserabweisende Kleidung und es machte sich die Sorge breit, dass er Hypothermie bekommen könnte. Es kamen also Zweifel an unserem Vorhaben auf.
Wir legten nach zwei Stunden einen kurzen Stopp in einem Aufenthaltsraum des „Camping Chileno“ ein. Hier suchten viele weitere Wanderer*innen mit dem gleichen Problem wie wir Zuflucht in der Wärme. Wir setzten uns zusammen und debattierten, ob wir wirklich noch den restlichen Weg zurücklegen sollten. Es war ein Risiko, welches zwei aus unserer Gruppe von vornherein kategorisch ausschlossen. Ich war mir jedoch unsicher, weil der Weg bis dahin auch machbar gewesen war (immerhin bin ich Norddeutsche und nicht aus Zucker). Im Gegensatz zu den anderen war ich nämlich auch durch meinen Poncho trocken geblieben. Wir hörten jedoch am Nachbartisch einen Guide seiner Gruppe erklären, dass sie nicht den restlichen Aufstieg machen würden. Ich fragte ihn, ob er es auch für uns als kleinere Gruppe ausschließen würde und als er uns von der Wanderung abriet, gab es nichts mehr zu debattieren. Schade, aber die sicherere Entscheidung.
Es ging also zurück zum Camping Central, wo meine Freundin mit den kaputten Schuhen im Refugio auf uns wartete. Wir konnten die restliche Zeit bis zur Abfahrt im Restaurant zubringen, dessen Betreiber es kein bisschen zu stören schien, dass wir uns über einen großen Tisch ausbreiteten, unsere Sachen über dem Kamin trockneten, unser eigenes Essen aßen und wirklich eine lange Zeit hier zubrachten.
Mit einem Shuttle fuhren wir später zur Busstation, von wo aus wir entspannt zurück nach Puerto Natales gebracht wurden. Es fühlte sich mehr als seltsam an, wieder in der Zivilisation zu sein; nach fünf Tagen wieder Autos zu sehen und WLAN zu haben (ich weiß nicht, wann ich das alles das letzte Mal für eine längere Zeit nicht hatte). Erst hier merkte ich, wie unglaublich entschleunigend und erfrischend diese Erfahrung gewesen war. Wir durften diese Perle von Natur zu Fuß erkunden und haben dabei so viel gesehen. Die Wanderung "Das W" war eines der größten Highlights dieses Jahr und ich hoffe sehr, dass ich in der Zukunft viele weitere Möglichkeiten zum Wandern finden werde! Ich denke, dass es noch dazu ein sehr geeigneter Einstieg fürs Wandern war, weil wir teilweise sogar in richtigen Betten schlafen konnten und die Wege sehr gut ausgeschildert waren. Ich bin rückblickend überaus dankbar dafür, dass wir gesund zurückgekommen sind und die meisten Tage so gutes Wetter hatten - ein absoluter Segen und keine Selbstverständlichkeit! Auch waren wir nur ein einziges Mal in der Dämmerung angekommen.
Dieser Nationalpark in all seiner Vielfalt; mit Gletschern, Wind, Herbstsonne, reißenden Flüssen, Hängebrücken und kristallblauen Seen wird mir für immer in Erinnerung bleiben. Hoffentlich bleibt er auch noch vielen Leuten nach mir erhalten!
Yorumlar